Anhang 4: Fachkundeanforderungen

A4.1 Fachkunde für die Verwendung von Biozid-Produkten der Hauptgruppe 3 "Schädlingsbekämpfungsmittel"

(1) Die Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln muss fachkundig erfolgen. Die Fachkunde bezieht sich auf die Produktart oder die Produktarten der jeweils verwendeten Biozid-Produkte. Zu den in der Praxis vorkommenden Produktarten der Hauptgruppe 3 sind relevant:

  1. Produktart 14: Rodentizide (Bekämpfung von Nagetieren). Zur Produktart gehören beispielweise Produkte zur Bekämpfung von Wühlmäusen, Ratten oder Mäusen
  2. Produktart 18: Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden. Zur Produktart gehören beispielsweise Produkte zur Bekämpfung von Ameisen, Bettwanzen, Bremsen, Eichenprozessionsspinnern, Fliegen, Flöhen, Fruchtfliegen, Kleidermotten, Lebensmittelmotten, Milben, Mücken, Schaben (Kakerlaken), Spinnen, Termiten, Wespen oder Zecken.
  3. Produktart 19: Repellentien und Lockmittel (Produkte zur Fernhaltung oder Köderung von Schadorganismen). Zur Produktart gehören beispielsweise Produkte zur Fernhaltung von Ameisen, Katzen oder Hunde, Kleidermotten, Marder, Maulwürfe, Mücken, Wespen oder Zecken, sowie Lockmittel für Fruchtfliegen, Mücken, Pheromonfallen für Kleidermotten, Lebensmittelmotten und Fliegen.

(2) Fachkunde ist nicht erforderlich, wenn die jeweilige Verwendung des Biozid-Produktes aus einer der vorgenannten Produktarten ebenfalls oder ausschließlich für die breite Öffentlichkeit zugelassen ist. Fachkunde reicht nicht aus, wenn für die Verwendung eine Sachkunde erforderlich ist (s. TRGS 541).

(3) Wenn Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet werden, die Fachkunde erfordern, so werden insbesondere folgende Kenntnisse vorausgesetzt (siehe auch Abbildung 1):

  1. Basiskenntnisse der Rechtsvorschriften, die für eine ordnungsgemäße Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln notwendig sind.
  2. Kenntnisse über die Informationsquellen zu den zulässigen Verwendungszwecken und Verwendungsbedingungen.
  3. Kenntnisse darüber, wie die Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf das notwendige Mindestmaß begrenzt oder vermieden werden kann (Substitution),
  4. Kenntnisse über mögliche schädliche Auswirkungen der Verwendung der jeweiligen Schädlingsbekämpfungsmittel auf die Gesundheit von Menschen, Nicht-Zielorganismen oder auf die Umwelt und wie diese verhindert oder minimiert werden können.

(4) Eine Person ist fachkundig, wenn sie

  1. über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, in dem die Verwendung von Biozid-Produkten aus der Hauptgruppe 3 zum Ausbildungs- und Berufsbild gehören und die die oben genannten Kenntnisse abdeckt, z. B. Schädlingsbekämpfer
    oder
  2. über eine einschlägige Berufserfahrung verfügt. Sie verfügt über die einschlägige Berufserfahrung, wenn sie über einen längeren, für das Verwenderprofil relevanten Zeitraum in einem Beruf tätig ist, der mit der Verwendung von Biozid-Produkten aus der Hauptgruppe 3 verbunden ist. Beschränkt sich die Verwendung auf eine Produktart oder auf bestimmte Schädlinge mit Beschränkung auf bestimmte Biozid-Produkte, genügt eine mindestens 3-monatige Tätigkeit
  3. oder
  4. zeitnah eine entsprechende Tätigkeit ausführt. Eine zeitnahe Tätigkeit in Verbindung mit der Verwendung von Biozid-Produkten aus der Hauptgruppe 3 liegt vor, wenn sie nicht länger als ein Jahr zurückliegt.

(5) Wurden die in Absatz 3 benannten Kenntnisse nicht bereits durch anderweitige Schulungen, Unterweisungen oder die Berufsausbildung vermittelt, sind diese durch die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen zu erwerben. Diese Fortbildungsmaßnahmen sollen allgemeine Grundkenntnisse (Modul 1) sowie die produkt- beziehungsweise verwendungsspezifischen Kenntnisse (Modul 2) vermitteln. Abbildung 1 stellt beispielhaft den möglichen Aufbau von Fortbildungsmaßnahmen für die oben genannten Produktarten der Schädlingsbekämpfungsmittel dar. Fortbildungen zur Ergänzung bislang fehlender Kenntnisse können in Inhalt und Umfang auf diese fehlenden Inhalte begrenzt sein. Die Durchführung von Lernerfolgskontrollen wird empfohlen.

(6) Die Fachkunde ist regelmäßig durch spezifische Fortbildungsmaßnahmen aktuell zu halten. Der Inhalt dieser wiederkehrenden Fortbildungsmaßnahmen sollte die Themenbereiche des jeweiligen Modul 2 abdecken. Der zeitliche Umfang sollte angemessenen sein, jedoch nicht länger als einen Tag dauern. Diese Schulungsmaßnahmen können im Rahmen der jährlichen Unterweisung erfolgen.

(7) Erstmalige und wiederkehrende Fortbildungsmaßnahmen können in Präsenz oder online, im Rahmen extern angebotener Lehrgänge oder im Rahmen interner Schulungen oder spezifischen Unterweisungen durchgeführt werden.

(8) Es ist empfehlenswert spezifische Fortbildungsmaßnahmen zu dokumentieren. Ebenso ist es sinnvoll, Nachweise über Berufsausbildung oder Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte Tätigkeit im Zusammenhang mit Verwendungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln verfügbar zu haben.

 

Abb. 1 Empfohlener Umfang und Inhalt spezifischer Fortbildungsmaßnahmen zur Anwendung von Biozid-Produkten der Hauptgruppe 3 (Schädlingsbekämpfungsmittel)

Modul 1
Themenbereiche Grundkenntnisse
(gesamt 15 LE)
Rechtsgrundlagen und Rechtsvorschriften (mindestens 1 LE)
Informationsquellen, Zulassung und SPC (2 LE)
Befallsermittlung und Einschätzung der Zielbereiche und Zieltierarten (1 LE)
Substitutionsprüfung (1 LE)
risikominimierender Einsatz (2 LE)
Ausbringungsverfahren (2 LE)
Grundsätze der Erfolgs- und Wirksamkeitskontrolle (1 LE)
Grundsätze fachgerechter Entsorgung (1 LE)
Arbeitsschutz / Erste Hilfe (4 LE)

 

Themenbereiche Modul 2 PT14 (Rodentizide) PT18 (Insektizide/Akarizide, die ausschließlich dem berufsmäßigen Verwender vorbehalten sind) PT 19 (Repellentien und Lockmittel, die ausschließlich dem berufsmäßigen Verwender vorbehalten sind)
spezifische Rechtsgrundlagen
0,5 LE
0,5 LE
0,5 LE
Zieltierbiologie (Anzahl LE sind zu erweitern bei mehreren andersartigen Zieltieren)
1 LE
1 LE
1 LE
alternative Verfahren
0,5 LE
1 LE
0,5 LE
Wirkstoff
1 LE
1 LE
1 LE
Wirkung auf Mensch, Tier und Umwelt
1 LE
1 LE
1 LE
Verwendungs-/Ausbringungsart
1 LE
2 LE
1 LE
Gefährdungsbeurteilung
1 LE
1 LE
1 LE
produktspezifische PSA
0,5 LE
1 LE
0,5 LE
Dosierung
0,5 LE
0,5 LE
0,5 LE
Erfolgskontrolle
0,5 LE
0,5 LE
0,5 LE
Entsorgung
0,5 LE
0,5 LE
0,5 LE
Summe der Lehreinheiten
8 LE
10 LE
8 LE

A4.2 Fachkunde für die Verwendung von Biozid-Produkten, deren Wirkstoffe endokrinschädigende Eigenschaften nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 haben

(1) Zugelassene Biozid-Produkte mit endokrinschädigenden Wirkstoffen dürfen – sofern sie nicht ausschließlich zur Verwendung durch geschulte berufsmäßige Verwender zugelassen sind – nur von fachkundigen Personen verwendet werden.

(2) Die erforderliche Fachkunde umfasst die nachfolgend beschriebenen Kenntnisse und Fähigkeiten, die den Anforderungen der jeweiligen Produktart und Verwendungsmethode angepasst werden können.

  1. Basiskenntnisse der Rechtsvorschriften, die für eine ordnungsgemäße Verwendung notwendig sind.
  2. Kenntnisse über die Informationsquellen zu den zulässigen Verwendungszwecken und Verwendungsbedingungen.
  3. Kenntnisse über mögliche schädliche Auswirkungen der Verwendung auf die Gesundheit von Menschen, Nicht-Zielorganismen oder auf die Umwelt und wie diese verhindert oder minimiert werden können,
  4. Kenntnisse darüber, wie die Verwendung auf das notwendige Mindestmaß begrenzt oder vermieden werden kann.

(3) Der Verwender von Biozid-Produkte mit endokrinschädigenden Wirkstoffen sollte mit seinen Fachkenntnissen in der Lage sein, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Was sind endokrine Disruptoren und wie wirken diese auf Mensch und Umwelt?
  2. Wie können Produkte mit endokrinen Disruptoren erkannt werden?
  3. Welche Schutzmaßnahmen sind zu treffen (Informationsquelle aus Produktkennzeichnung Produktmerkblatt oder SPC)?

(4) Eine Person ist fachkundig, wenn sie

  1. über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, in dem die Verwendung von Biozid-Produkten zum Ausbildungs- und Berufsbild gehören und die die oben genannten Kenntnisse abdeckt,
    oder
  2. über eine einschlägige Berufserfahrung verfügt. Hiervon kann z. B. ausgegangen werden, wenn sie über einen längeren, für das Verwenderprofil relevanten Zeitraum in einem Beruf tätig ist, der mit der Verwendung von Biozid-Produkten verbunden ist und die die oben genannten Kenntnisse abdeckt
    oder
  3. zeitnah eine entsprechende Tätigkeit ausführt. Eine zeitnahe Tätigkeit in Verbindung mit der Verwendung von Biozid-Produkten mit endokrinschädigender Wirkung liegt vor, wenn sie nicht länger als ein Jahr zurückliegt.

(5) Wurden die in den Absätzen drei und vier benannten Kenntnisse nicht bereits durch anderweitige Schulungen, Unterweisungen oder die Berufsausbildung vermittelt, sind diese durch die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen zu erwerben. Diese Fortbildungsmaßnahmen sollen die oben beschriebenen Grundkenntnisse und verwendungsspezifischen Kenntnisse vermitteln. Die Durchführung von Lernerfolgskontrollen wird empfohlen.

(6) Erstmalige und erneute Fortbildungsmaßnahmen können in Präsenz oder online, im Rahmen extern angebotener Lehrgänge sowie im Rahmen interner Schulungen oder Unterweisungen durchgeführt werden.

(7) Die Fachkunde ist durch regelmäßige spezifische Fortbildungsmaßnahmen aktuell zu halten. Der zeitliche Umfang sollte angemessenen sein, jedoch nicht länger als einen Tag dauern. Diese Schulungsmaßnahmen können im Rahmen der jährlichen Unterweisung erfolgen.

(8) Es ist empfehlenswert spezifische Fortbildungsmaßnahmen zu dokumentieren. Ebenso ist es sinnvoll, Nachweise für Berufsausbildung oder Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte Tätigkeit im Zusammenhang mit Verwendungen von Biozid-Produkten mit endokrinschädigender Wirkung verfügbar zu haben.

A4.3 Ergänzende Anforderungen an die Kenntnisse zur fachkundigen Erstellung der Gefährdungsbeurteilung für die Verwendung von Biozid-Produkten

Für die fachkundige Erstellung der Gefährdungsbeurteilung sowie die Substitutionsprüfung für die Verwendung von Biozid-Produkten gem. § 15 b Absatz 1 Nummer 1 und 2 GefStoffV sind spezifische Kenntnisse erforderlich, die die in Abschnitt 4.1 der TRGS 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen" aufgeführten Kenntnisse und Anforderungen an die Fachkunde ergänzen.

Diese Kenntnisse müssen ausreichen, um

  1. Nutzen und Risiken des Einsatzes des Biozid-Produkts abwägen zu können;
  2. physikalische, biologische, chemische und sonstige Alternativen sachgerecht berücksichtigen zu können;
  3. Biozid-Produkte entsprechend Verwendungszweck und Verwendungsbedingungen aus Kennzeichnung oder Zulassung ordnungsgemäß verwenden zu können.

Dies kann gewährleistet werden, wenn folgende Kenntnisse vorliegen:

  1. Kenntnisse über Inhalt und Anwendung der "Information on biocides"-Datenbank der ECHA,
  2. Kenntnisse über die für die Beurteilung notwendigen Informationsquellen nach Abschnitt 4.1 dieser TRGS, insbesondere über Aufbau, Struktur und Inhalt einer SPC,
  3. Kenntnisse über die Zielorganismen und die Beurteilung der Gefährdung, die von diesen ausgehen können,
  4. Kenntnisse über geeignete präventive Maßnahmen sowie mögliche alternative Maßnahmen zur Bekämpfung der Zielorganismen,
  5. Kenntnisse über die in der Zulassung festgelegten Anwendungsbestimmungen und Risikominderungsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt und Nicht-Zielorganismen,
  6. Kenntnisse über die bestimmungsgemäße und sachgerechte Anwendung des Biozid-Produkts gemäß der Gebrauchsanweisung,
  7. Kenntnisse über Verbote und Beschränkungen,
  8. Kenntnisse über die mit der Verwendung des Biozid-Produkts verbundenen Gefährdungen und Risiken für Menschen, Tiere, Nicht-Zielorganismen und die Umwelt,
  9. die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen beim bestimmungsgemäßen Gebrauch und für den Fall des unvorhergesehenen Verschüttens oder Freisetzens.

Falls diese Kenntnisse nicht vorhanden sind, müssen diese durch entsprechende spezifische Fortbildungsmaßnahmen erworben werden.

Die Kenntnisse sind durch regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen auf dem aktuellen Stand zu halten.