7 Gefährdungen durch Windkräfte – Beurteilung und Maßnahmen

(1) In dieser ASR schließen die Gefährdungen durch Windkräfte die direkten Auswirkungen bewegter Luftmassen, die Einwirkungen kleiner Teile oder Teilchen, die durch Wind aufgewirbelt oder weitergetragen werden, störende Windgeräusche und Folgegefährdungen von Wind mit Sturmstärke mit ein. Diese, in den Absätzen 2 bis 5 anhand von Beispielen konkretisierten Wirkungen, sind bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.

Hinweise:
1. Auch für Auswirkungen von Luftbewegungen, die durch Arbeitsmittel oder Arbeitsgegenstände im direkten Zusammenhang mit der Tätigkeit verursacht werden, z. B. die Abwärtsströmung unterhalb eines Arbeitshelikopters, können auf Basis dieser ASR Beurteilungen durchgeführt und Maßnahmen abgeleitet werden.
2. Die Wechselwirkungen von Wind mit anderen Witterungseinflüssen, z. B. Wind und Regen, Wind und Hitze/Kälte, werden bei den anderen Gefährdungen mit betrachtet.

(2) Gefährdungen durch Kräfte bewegter Luftmassen treten z. B. auf:

  1. als direkte Auswirkung auf Beschäftigte, z. B. durch Stürzen oder Absturz,
  2. als indirekte Auswirkung durch Zusammenstoß mit oder Quetschung durch unkontrolliert bewegte Teile, z. B. umstürzende Bäume, herabfallende Äste, herumfliegende Bauteile, schlagende Planen, kippende Schaltafeln, und
  3. als indirekte Auswirkungen von Wellengang und Gischt, z. B. auf Kaianlagen, Offshore-Anlagen.

(3) Gefährdungen durch kleine Teile oder Teilchen, die durch Wind aufgewirbelt oder weitergetragen werden, sind z. B.:

  1. direkte Einwirkungen auf Haut und Augen der Beschäftigten,
  2. die vermehrte Aufnahme von feinen Teilchen in Mund und Lunge und
  3. Sichteinschränkungen durch starkes Staub- oder Sandtreiben sowie Staub- oder Sandsturm.

Hinweis:
Sofern die durch Wind aufgewirbelten und im Wind schwebenden festen Teilchen (z. B. Staub, Dunst, Rauch, Sand) zusätzlich als Luftschadstoffe auf die Beschäftigten einwirken, ist dies nicht Bestandteil dieser ASR.

(4) Zu Gefährdungen, die durch Windgeräusche verursacht werden, zählt z. B. die Beeinträchtigung der Wahrnehmung von akustischen Signalen.

(5) Nach dem Auftreten von Wind mit Sturmstärke ist mit Folgegefährdungen zu rechnen, z. B. durch umsturzgefährdete Bäume, verringerte Standsicherheit aufragender Arbeitsmittel (Gerüste, Krane), abgerissene Stromleitungen oder beschädigte Sicherheitseinrichtungen.

7.1 Beurteilungsmaßstäbe für Gefährdungen durch Windkräfte

(1) Die Beurteilung der Gefährdungen durch Windkräfte sind bezogen auf die Tätigkeit und den jeweiligen Arbeitsplatz durchzuführen. Die örtlichen Gegebenheiten sind für die Ermittlung der Windstärke oder Windgeschwindigkeit entscheidend.

(2) Wind ist in der Regel spürbar und ab einer gewissen Stärke an Umgebungsveränderungen erkennbar, weshalb Gefährdungen durch Windkräfte nach dieser ASR auf der Grundlage von beobachtbaren Auswirkungen mit Hilfe der Beaufort-Skala (siehe Anhang 1) zu beurteilen sind. Dabei ist das im Abschnitt 7.2 beschriebene Verfahren der Kategorisierung von Wind in 3 Intensitätsstufen (I, II und III) gemäß Tabelle 3 anzuwenden.

(3) Zur Information, für die Arbeitsorganisation und für die Einsatzplanung darf auch auf das Warnstufensystem des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zur orientierenden Ermittlung der zu erwartenden Intensitätsstufen zurückgegriffen werden.

Hinweise:
1. Die Angaben des DWD basieren in einer Region auf der nächstgelegenen lokalen Wetterstation des DWD. Daher kann es zu Abweichungen zwischen den Vorhersagen des DWD und den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten kommen.
2. Für die Intensitätsstufe I nach Tabelle 3 liegt nur ab Windstärke Beaufort-Grad 7 eine amtliche Warnung des DWD entsprechend Warnstufe 1 vor. Die Intensitätsstufe II umfasst die DWD-Warnstufe 2. Die Intensitätsstufe III umfasst die DWD-Warnstufen 3 und 4. Bei Arbeiten im Freien wird jedoch die DWD-Warnstufe 2 ab einer Windstärke von Beaufort-Grad 10 der Intensitätsstufe III zugeordnet. Arbeiten in nicht allseits umschlossenen Räumen verbleiben bei einer Windstärke von Beaufort-Grad 10 noch in der Intensitätsstufe II.

Tab. 3: Intensitätsstufen für Windkräfte mit deren Beschreibung

Intensitäts­stufe Beschreibung Windstärke, Wind­geschwindig­keit (gemessen in 10 m Höhe)
I
starker bis steifer Wind
Tätigkeiten sind behindert.

Die Windstärke/Windgeschwindigkeit führt zu ersten Einschränkungen beim Gehen und Stehen. Das Halten von Gegenständen ist deutlich erschwert. Arbeitsmittel können z. T. schwingen und nicht mehr betreibbar sein (z. B. Leitern, Krane, Hubarbeitsbühnen). Bäume bewegen sich sichtbar.

Sofern Totholz vorhanden ist, gilt Intensitätsstufe II.
6 bis 7 Bft.-Grad,
11 bis 17 m/s
II
stürmischer Wind bis schwerer Sturm
Die Windstärke/Windgeschwindigkeit schränkt Gehen und Stehen fast vollständig ein. Schwerere Gegenstände und Arbeitsmittel können sich unkontrolliert bewegen. Herabfallende und unkontrolliert bewegte Teile (z. B. von Bäumen oder Gebäuden) können Personen treffen und in ungeschützten Bereichen auch verletzen. Bei Bäumen brechen Zweige und Äste.

Schutz vor Verletzungsgefahr ist z. B. in Fahrzeugen möglich.
8 bis 10 Bft.-Grad,
17 bis 28 m/s
III
orkanartiger Sturm bis Orkan
Durch die Windstärke/Windgeschwindigkeit haben Personen keinen kontrollierten Einfluss mehr auf Gehen oder Stehen.

Massive und große herabfallende und unkontrolliert bewegte Teile können Personen tödlich verletzen. Bäume knicken ab oder werden entwurzelt. Teile von Dächern und Fassaden können wegfliegen. Schutz ist nur in massiven Gebäuden möglich.

Tornados sind immer der Intensitätsstufe III zuzuordnen.
ab 11 Bft.-Grad,
> 28 m/s

7.2 Verfahren zur Beurteilung von Gefährdungen durch Windkräfte

(1) Zur Beurteilung der Gefährdungen durch Windkräfte ist anhand der Windstärke die Intensitätsstufe nach Tabelle 3 festzulegen. Zur besseren lokalen Auflösung sind zusätzlich Beobachtungen durch die Beschäftigten vor Ort heranzuziehen.

(2) Die Windstärke kann phänomenologisch mit Hilfe der Beaufort-Skala anhand der Auswirkungen des Windes abgeschätzt werden. Im Binnenland ist die Beaufort-Skala, auf See die Beaufort-Skala See anzuwenden (siehe Anhang 1, Tabellen 5 und 6).

(3) Genauere Verfahren zur Abschätzung der Gefährdungen durch Windkräfte, basierend z. B. auf den Daten einer vor Ort betriebenen Wetterstation, dürfen zur Beurteilung ebenfalls herangezogen werden.

7.3 Maßnahmen gegen Gefährdungen durch Windkräfte

(1) Maßnahmen gegen Gefährdungen, die von Windkräften ausgehen, sind entsprechend den Intensitätsstufen der Tabelle 3 zu priorisieren und umzusetzen.

(2) Bei den Intensitätsstufen II (stürmischer Wind bis schwerer Sturm) und III (orkanartiger Sturm bis Orkan) sind technische und organisatorische Maßnahmen anzuwenden, um einen ausreichenden Schutz der Beschäftigten vor Verletzungsgefahren zu erreichen.

7.3.1 Technische Maßnahmen

Technische Maßnahmen gegen Windkräfte sind z. B.:

  1. die Pflasterung, die Befestigung oder das Befeuchten der Arbeitsplatzumgebung (unter Beachtung der Rutschgefahr) zur Vermeidung der Aufwirbelung von Staub oder Teilchen,
  2. die Abweisung des Windes durch Windschutzwände o. ä.,
  3. die Ausstattung exponierter Stellen mit z. B. Halteeinrichtungen (Geländer, Umwehrungen) und Bodenbelägen mit erhöhter Rutschfestigkeit zum Schutz vor Sturz/Absturz,
  4. Arbeitsmittel, die den Beschäftigten das Halten von Gegenständen und das Führen auch bei schwingenden Lasten ermöglichen (z. B. sogenannte Führungsleinen),
  5. das Anbringen von Sturmsicherungen, z. B. für Netze, um das Wegfliegen von Gegenständen zu verhindern,
  6. die Ausstattung ortsgebundener Arbeitsplätze im Freien mit Sicherheitseinrichtungen wie Funk, Mobiltelefon, Signalanzeigen oder akustischen Signalen, die unabhängig vom Wind wirken,
  7. die Sicherstellung der Stabilität baulicher Einrichtungen, um windbedingtes Umkippen oder Wegfliegen von Bauteilen zu verhindern,
  8. das Vorhalten von Arbeitsmitteln, um den Arbeitsplatz bzw. den Arbeitsbereich von Totholz, losen Ästen, umsturzgefährdeten Bäumen u. ä. befreien zu können und
  9. das Vorhalten geschützter Bereiche/Einrichtungen (z. B. "Schutz-Gebäude", Fahrzeuge) zum Schutz vor unkontrolliert bewegten Arbeitsmitteln und Gegenständen; solche Einrichtungen müssen der maximal zu erwartenden mechanischen Beanspruchung durch den Winddruck oder durch Gegenstände, die auf sie fallen oder gegen sie prallen, standhalten können.

7.3.2 Organisatorische Maßnahmen

Organisatorische Maßnahmen gegen Windkräfte sind z. B.:

  1. das Anpassen der Tätigkeit an die Gegebenheiten,
  2. bei gefährlichen Windstärken/Windgeschwindigkeiten (auch in Böen) das Einstellen der Tätigkeiten und Aufsuchen geschützter Bereiche; hierfür ist ausreichend Zeit zur Verfügung zu stellen,
  3. das Sichern von Teilen, Arbeitsmitteln und Elementen zur Verhinderung des Umkippens und Wegwehens,
  4. das Lagern von Gegenständen in möglichst geringen Höhen und wenig windexponierten Bereichen,
  5. die regelmäßige Beseitigung verwehbarer Ablagerungen,
  6. festlegen von Gefahrenbereichen, die z. B. durch Umkippen von Bauteilen, Arbeitsmitteln oder Bäumen entstehen können,
  7. Einsatz der Arbeitsmittel, z. B. Kran oder Hubarbeitsbühne, nur bis zur zulässigen Windstärke/Windgeschwindigkeit gemäß Herstellerangabe,
  8. vor Arbeitsbeginn Sichtkontrolle auf Totholz, lose Äste, umsturzgefährdete Bäume, gegebenenfalls Beseitigung vornehmen oder Einstellung der Tätigkeiten und
  9. gegebenenfalls Maßnahmen wie bei Alleinarbeit anwenden.

7.3.3 Personenbezogene Maßnahmen

Personenbezogene Maßnahmen gegen Windkräfte sind z. B.:

  1. das Tragen einer Schutzbrille zur Vermeidung von Augenverletzungen,
  2. das Tragen einer Staubschutzmaske,
  3. bei Arbeiten am Wasser die Benutzung von an Wind und Wellengang angepasster PSA,
  4. die Beachtung der Eigensicherung (z. B. festhalten, anschlagen, von schwingenden Teilen fernhalten, nur mit Führungsleinen arbeiten),
  5. die Kontrolle der Arbeitskleidung auf peitschende Kordeln, Schnüre oder Verschlüsse und gegebenenfalls Sicherung; Zusammenbinden der Haare,
  6. das Vermeiden von Tätigkeiten auf höhergelegen Bereichen des Arbeitsplatzes und
  7. rechtzeitiges Verlassen des Gefahrenbereichs und Aufsuchen geschützter Bereiche/Einrichtungen.