Im Sinne dieser Information werden folgende Begriffe bestimmt:
1. Absturzschutzsystem
Der Begriff Absturzschutzsystem beschreibt die Gesamtheit von Kollektivschutzmaßnahmen oder Anschlageinrichtungen zur Absicherung eines definierten/überplanten Bereichs oder einer Fläche.
2. Anschlageinrichtung
Eine Anschlageinrichtung kann Teil eines persönlichen Absturzschutzsystems nach DIN EN 363 sein oder dient als Teil des Bauwerks der Befestigung des persönlichen Absturzschutzsystems. Anschlageinrichtungen sind also entweder temporär und ortsveränderlich oder sie sind permanent mit dem Bauwerk (z. B. Flachdach, Steildach, Fassade etc.) verbunden. Während temporäre Anschlageinrichtungen als persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSA gegen Absturz) klassifiziert werden, gelten permanente Anschlagrichtungen als Bauprodukt im Sinne der Bauproduktenverordnung. Anschlageinrichtungen können der benutzenden Person als präventiv wirkendes Rückhaltesystem, oder als reaktiv wirkendes Auffangsystem zur Verfügung stehen.
3. Auffangsysteme
Auffangsysteme fangen die benutzende Person bei einem Fall auf und begrenzen dabei die auf den Körper wirkende Fangstoßkraft und die Fallstrecke.
4. Ausreichende Sicherheit gegen Abrutschen
Ausreichende Sicherheit gegen Abrutschen bei Arbeiten auf geneigten Flächen (z. B. aufgrund der Neigung oder der Beschaffenheit der Standfläche) ist gegeben, wenn kein unkontrolliertes Abgleiten von Beschäftigten erfolgen kann.
5. Nicht ausreichende Sicherheit gegen Abrutschen
Nicht ausreichende Sicherheit gegen Abrutschen bei Arbeiten auf geneigten Flächen (z. B. aufgrund der Neigung, der Beschaffenheit der Standfläche oder aus Witterungseinflüssen) ist, wenn ein unkontrolliertes Abgleiten von Beschäftigten erfolgen kann.
6. Bauart
Bauart ist das Zusammenfügen von Bauprodukten zu baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen. Der Montierende des Montagebetriebs ist Ersteller der Bauart und für diese verantwortlich.
7. Bauprodukt
Bauprodukte sind Produkte, Baustoffe, Bauteile und Anlagen sowie Bausätze, die hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden. Bauprodukte können auch aus Produkten, Baustoffen, Bauteilen sowie Bausätzen vorgefertigter Anlagen bestehen, die hergestellt werden, um mit dem Erdboden verbunden zu werden. Die Verwendung der Bauprodukte ist in den jeweiligen Bauordnungen der Bundesländer geregelt.
8. Begehbar
Die Bauteile oder Verglasungen werden mit planmäßigem Personenverkehr begangen und halten den Belastungen stand.
9. Betretbar
Die Bauteile oder Verglasungen sind für Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten betretbar und halten den Belastungen, die während der Ausführung der Arbeiten auftreten können, inkl. Personen, Materialien und Werkzeugen stand.
10. Betreiber bzw. Betreiberin
Natürliche oder juristische Person, die für den sicheren Betrieb einer Anlage oder Einrichtung verantwortlich ist. Die Verantwortlichkeit kann sich aus Eigentums- oder Besitzverhältnis, rechtlichem oder tatsächlichem Handeln oder Weisungsrechten ergeben. Eine betreibende Person kann auch gleichzeitig Eigentümer bzw. Eigentümerin sein, muss dies aber nicht zwingend sein.
11. Betreiberverantwortung
Die Betreiberverantwortung umfasst die Verpflichtung zur Einhaltung sämtlicher rechtlichen und herstellerseits eingeforderten Maßnahmen zur Instandhaltung. Weiterhin ist die Einhaltung arbeits(platz)rechtlicher Bestimmungen sowie die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten Bestandteil der Betreiberverantwortung.
12. Durchsturzsichere Bauteile oder Flächen
Durchsturzsicher sind nicht betretbare Bauteile oder Flächen dann, wenn diese über die gesamte Lebensdauer des Bauteils bzw. der Fläche, die von einer auftreffenden Person ausgehenden Belastungen standhält. Dies schließt auch dynamische Belastungen ein. Der entsprechende Nachweis der Durchsturzsicherheit ist zu erbringen (z. B. anhand der Anforderungen, die in einer Norm oder einem Prüfgrundsatz beschrieben sind).
Bauteile oder Flächen können durchsturzsicher ausgeführt werden oder mit zusätzlichen Durchsturzsicherungen ausgestattet werden.
13. Eigentümer bzw. Eigentümerin
Der Eigentümer bzw. die Eigentümerin kann eine natürliche oder juristische Person sein, der einer Sache oder einem Objekt (sachen-) rechtlich zugeordnet ist.
14. Einweisung
Einweisungen müssen vom Auftraggebenden auftragsspezifisch für die Gefährdungen einer Montagestelle durchgeführt werden. Hierbei sind die Ansprechpersonen, betrieblichen Besonderheiten, genauen Arbeitsabläufe und baustellenbezogene Festlegungen, sowie die Sicherheitsmaßnahmen an einem bestimmten Arbeitsplatz zu berücksichtigen und zu vermitteln.
15. Einzelanschlageinrichtung (EAE)
Eine Einzelanschlageinrichtung ist ein Produkt, an welchem Nutzer die PSA gegen Absturz befestigen können. Sie kann auch als Stütze in horizontalen liniengeführten Sicherungssystemen dienen. Zu unterscheiden ist zwischen temporären und permanenten Einzelanschlageinrichtungen.
16. Formalprüfung
Bei der Formalprüfung werden die formellen Anforderungen an die Montage des Produktes auf Korrektheit und Vollständigkeit geprüft.
17. Gefahrenbereich Absturz
Gefahrenbereich Absturz ist der Bereich von bis zu 2,00 m zur Absturzkante, in denen sich Versicherte aufhalten können und mit technischen, organisatorischen oder persönlichen Maßnahmen gegen Absturz gesichert sein müssen. Der Gefahrenbereich Absturz ist durch geeignete Maßnahmen, z. B. Ketten oder Seile, und gut sichtbare Kennzeichnung entsprechend ASR A1.3 "Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung" (Verbotszeichen D-P006 "Zutritt für Unbefugte verboten") gegen unbefugten Zutritt zu sichern. Bei Verkehrswegen ist als Schutzmaßnahme auch ausreichend, wenn die Abgrenzung optisch deutlich erkennbar ist.
18. Gelegentliche Zugänge
Gelegentliche Zugänge werden nur sehr selten durch eine geringe Anzahl von unterwiesenen und eingewiesenen Versicherten im Jahr genutzt.
19. Gleiter
Der Gleiter ist Bestandteil eines überfahrbaren Seil- oder Schienensicherungssystems und fährt ungehindert die Zwischen- und Eckstützen. Bei nicht überfahrbaren Seilsicherungssystemen muss der Gleiter bei den Zwischen- und Eckstützen umgesetzt werden. Der Seilgleiter enthält eine Anschlagöse zum Befestigen der persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz.
20. Instandhaltung
Zusammenwirken aller technischen und administrativen Maßnahmen mit dem Ziel, die bestimmungsgemäße und gebrauchssichere Funktion des Sicherungssystems sicherzustellen. Dies beinhaltet sowohl die Inspektion, die Wartung wie auch die Instandsetzung.
21. Komplexe Anschlageinrichtungen
Als komplex gelten Anschlageinrichtungen dann, wenn deren Installation oder Instandhaltung eine besondere Kenntnis, Qualifizierung oder Zertifizierung erfordert. Hierzu zählen insbesondere, aber nicht ausschließlich, Seilsicherungs- und Schienensicherungssysteme.
22. Leistungsanforderung
Die Leistungsanforderungen an Bauprodukte werden in der jeweiligen Landesbauordnung bzw. der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (VV TB) beschrieben. In dieser DGUV Information wird jedoch nur auf die Musterbauordnung (MBO) bzw. Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (MVV TB) verwiesen.
23. Leistungserklärung (DoP)
Die Leistungserklärung gibt die Leistung von Bauprodukten in Bezug auf die wesentlichen Merkmale dieser Produkte gemäß den einschlägigen harmonisierten technischen Spezifikationen an, die von einer harmonisierten Technischen Norm oder einem Europäisch Technischen Bewertungsdokument erfasst sind.
24. Notfallprävention
Im Rahmen der Planung werden mögliche Notfallsituationen an geplanten Arbeitsplätzen und Verkehrswegen betrachtet, z. B. Auffangen einer Person in die PSA gegen Absturz, der Stillstand eines mechanischen Verkehrsweges wie beispielsweise eine Hubarbeitsbühne oder gegebenenfalls die Handlungsunfähigkeit von Personen (K. O.-Situation). Dabei sind die folgenden Punkte sicherzustellen:
Rettungsdienste verfügen über eine Trage (Schleifkorb) und 4–6 Personen, die den Verunfallten damit transportieren können. Bei Transportwegen die vorsehbar damit nicht bewältigt werden können, hat der Arbeitgeber im Vorfeld für entsprechende Transportmöglichkeiten (Ausrüstung und qualifiziertes Personal) zu sorgen.
Bei der Benutzung von PSA gegen Absturz ist ein Rettungskonzept inklusive Rettungsgerät und Personal zu erstellen.
25. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSA gegen Absturz)
Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSA gegen Absturz) ist eine Zusammenstellung aus Auffanggurt nach DIN EN 361, Verbindungselement nach DIN EN 362, Verbindungsmittel nach DIN EN 354 ggf. in Verbindung mit einem Falldämpfer nach DIN EN 355, mitlaufendes Auffanggerät an beweglicher Führung nach DIN EN 353-2 oder Höhensicherungsgerät nach DIN EN 360 und werden an Anschlageinrichtungen oder Anschlagmöglichkeiten angeschlagen.
26. Permanente Anschlageinrichtung
Permanente Anschlageinrichtungen sind mit dem Bauwerk verbunden, werden nach der Benutzung nicht entfernt. Sie verbleiben dauerhaft am Bauwerk und sind ein Bauprodukt, siehe DIN EN 17235. Permanente Anschlageinrichtungen, die bis Ende 2015 montiert wurden, sind PSA gegen Absturz nach PSA-Verordnung.
Hinweis: Die europäische Kommission stellte mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2181 am 24. November 2015 fest, dass die dauerhaften Befestigungen (z. B. baulich verankerte Befestigungsmittel) der Anschlageinrichtungen Typ A, C und D der DIN EN 795:2012 [3] keine PSA der Definition nach sind. Anschlageinrichtungen, die fest mit dem Bauwerk verbunden sind und dort verbleiben, sind Bauprodukte. Die Typen B und E gelten weiterhin als PSA.
27. Rückhaltesysteme
Rückhaltesysteme schränken den Bewegungsbereich der benutzenden Person ein, so dass die Absturzkante nicht erreicht werden kann und ein Absturz somit ausgeschlossen ist.
28. Seitenschutz
Seitenschutz im Sinne dieses Dokuments sind Systeme, die entweder direkt mit dem Bauwerk verbunden oder auflastbasiert sind, welche der DIN EN 13374 und den Anforderungen der ASR A2.1) entsprechen.
29. Rüttelprobe
Bei der Rüttelprobe von Hand (ohne technische Hilfsmittel) wird mit einer Krafteinleitung unterhalb der Verformungsgrenze (zerstörungsfreies Prüfverfahren) ein Abgleich zwischen einer auf diesem Untergrund fachgerecht montierten Anschlageinrichtung und weiteren auf diesem Untergrund montierten Anschlageinrichtungen durchgeführt.
30. Sicher benutzbare Vorrichtungen für vom Dach aus vorzunehmende Tätigkeiten (Im Sinne von § 32 Abs. 8 Musterbauordnung)
Sicher benutzbare Vorrichtungen sind dauerhaft vorhandene Einrichtungen, die ein sicheres Arbeiten auf der Dachfläche ermöglichen. Es sind z. B. Umwehrungen, Seitenschutz, durchsturzsichere Dachoberlichter (Lichtkuppeln, Lichtbänder und Lichtplatten), permanente Anschlageinrichtungen, Sicherheitsdachhaken oder rutschhemmende Flächen auf Verkehrswegen auf Dächern.
31. Sicherheitsdachhaken
Sicherheitsdachhaken sind Anschlageinrichtungen für Steildächer und dienen mit dem Leiterhaken auch zur Aufnahme von Dachauflegeleitern und Dachdeckerstühlen. Sicherheitsdachhaken bis 12.2024 müssen den Anforderungen der DIN EN 517 entsprechen. Nach dem 01.01.2025 entsprechen sie der DIN EN 17235.
32. Schienensicherungssysteme
Schienensicherungssysteme sind permanente Anschlageinrichtungen, die ein lineares Arbeiten an einer Absturzkante ohne Umschlagen der persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz ermöglichen. Sie bestehen meistens aus Stützen, Laufschiene und Gleiter, können aber auch direkt am Bauwerk befestigt sein.
33. Temporäre Anschlageinrichtung
Temporäre Anschlageinrichtungen sind nicht dauerhaft mit dem Bauwerk verbunden und werden nach der Benutzung wieder entfernt. Sie unterliegen der PSA-Verordnung und müssen den Anforderungen aus der DIN EN 795 entsprechen.
34. Überfahrbare Seilsicherungssysteme
Überfahrbare Seilsicherungssysteme sind permanente Anschlageinrichtungen, die ein lineares Arbeiten an einer Absturzkante ohne Umschlagen der persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz ermöglichen. Sie bestehen aus Eck-, End- und Zwischenstützen, Seil, Kurven- und Zwischenhalten, Dämpfungselementen und Gleiter.
35. Umwehrung
Umwehrungen sind Einrichtungen zum Schutz von Versicherten gegen Absturz, z. B. Attiken, Brüstungen, Geländer oder Seitenschutz.
36. Unterweisung
Unterweisungen finden anhand einer Betriebsanweisung im Verantwortungsbereich des Unternehmens der Versicherten statt und sollen die richtigen Arbeitsabläufe, Gefährdungen, Schutzmaßnahmen, Sicherheitskennzeichnungen und das Verhalten bei Störungen und Notfällen aufklären und darüber informieren, um Unfall- und Verletzungsrisiken zu minimieren. Unterweisungen müssen gemäß DGUV Vorschrift 1 vor Aufnahme einer Tätigkeit und danach in regelmäßigen Abständen – nach Bedarf, mindestens jedoch alle 12 Monate – durchgeführt und dokumentiert werden.
37. Zugangs- und Sicherungskonzept
Ein Zugangs- und Sicherungskonzept beschreibt die sichere Zuwegung zur Dachfläche und die Maßnahmen zur Sicherung der Dachfläche. Es beschreibt weiterhin welche Anforderungen an die Personen und die zu verwendende Ausrüstung gestellt werden.