8 Besondere Regeln aufgrund des Handlungsorts
8.1 Fahrleitungen in Werkstätten
8.1.1 Fahrleitungen und unter Fahrleitungsspannung stehende Teile von Fahrzeugen müssen in Werkstattbereichen einen ausreichenden Abstand von Arbeitsplätzen, Verkehrswegen und sonstigen begehbaren Flächen, zum Beispiel auf Fahrzeugen, haben. Ein Unterschreiten der Abstände ist zulässig, wenn die Fahrleitung vor Betreten dieser Bereiche freigeschaltet und während der Zeit des Aufenthalts gegen Wiedereinschalten gesichert wird oder wenn zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel Abdecken, Abschranken unter Spannung stehender Teile.
Abstände zu Standflächen, die von Personen betreten werden dürfen, sind in DIN EN 50122-1 "Bahnanwendungen – Ortsfeste Anlagen – Elektrische Sicherheit, Erdung und Rückleitung" festgelegt. Grundmaße für mindestens elektrotechnisch oder bahntechnisch unterwiesene Personen sind:
- bis AC 1000 V/DC 1500 V
seitlicher Abstand 1,35 m, Höhenabstand 2,6 m,
- über AC 1 kV/DC 1,5 kV
seitlicher Abstand 1,5 m, Höhenabstand 2,75 m.
Zu Fahrleitungen in Werkstätten siehe auch Punkt 8.2.
8.1.2 An Dacharbeitsbühnen sind Sicherungen vorzusehen, durch die ein zufälliges Berühren der unter Spannung stehenden Fahrleitung und unter Fahrleitungsspannung stehender Teile von Fahrzeugen, auch mit Arbeitsmitteln, verhindert wird. Notabstiege sind in die Sicherungen einzubeziehen.
Sicherungen sind zum Beispiel Türen, die nur bei ausgeschalteter Fahrleitungsspannung geöffnet werden können oder die beim Öffnen die Fahrleitungsspannung ausschalten. Diese Sicherungen können gegebenenfalls mit Sicherungen gegen die Gefährdungen durch Absturz entsprechend Punkt 4.7 kombiniert werden.
8.1.3 Steckvorrichtungen von ortsveränderlichen flexiblen elektrischen Versorgungsleitungen an Fahrzeugen müssen durch einen Schutz gegen zufälliges Berühren gesichert sein. Ein Aufstecken oder Abziehen der Steckvorrichtungen darf nicht unter Spannung erfolgen können, wenn die Steckvorrichtungen nach der Bauart dafür nicht bestimmt sind. Das gilt nicht für Einspeisevorrichtungen für Schienenfahrzeuge mit seitlichen Stromabnehmern.
Ein Aufstecken oder Abziehen von Steckvorrichtungen unter Spannung wird zum Beispiel durch voreilend wirkende Steuerkontakte verhindert.
8.2 Arbeiten im Bereich von Fahrleitungen in Werkstätten
8.2.1 Instandhaltungsarbeiten an Fahrzeugen, bei denen die Gefahr der Berührung der Fahrleitungsanlage oder unter Fahrleitungsspannung stehender Teile, auch mit Arbeitsmitteln, besteht, dürfen nur durchgeführt werden, wenn der spannungsfreie Zustand der Fahrleitungsanlage hergestellt und für die Dauer der Arbeiten sichergestellt worden ist. Das gilt nicht, wenn Prüfungen unter Spannung durchgeführt werden müssen.
Der spannungsfreie Zustand wird erreicht, wenn die fünf Sicherheitsregeln eingehalten werden.
Die fünf Sicherheitsregeln sind in DIN VDE 0105 "Betrieb von elektrischen Anlagen", Teil 100 "Allgemeine Festlegungen" und Teil 103 "Zusatzfestlegungen für Bahnen", festgelegt worden.
Prüfarbeiten unter Spannung siehe Punkt 7.3.
Der spannungsfreie Zustand für die Dauer der Arbeiten kann dadurch sichergestellt werden, dass alle an den Arbeiten beteiligten Beschäftigten jeweils mit persönlichem Schlüsselschalter oder Schloss das Wiedereinschalten der Fahrleitungsanlage verhindern.
8.2.2 Wird die elektrische Anlage von Fahrzeugen durch Abziehen des Stromabnehmers freigeschaltet, sind Maßnahmen gegen das versehentliche und unbeabsichtigte Wiederanlegen des Stromabnehmers zu treffen.
Eine Maßnahme gegen das versehentliche Wiederanlegen ist bei kraftbetriebenen Stromabnehmern das Unwirksammachen des Antriebs. Bei Stromabnehmern, die mit einer Leine von Hand abgezogen werden, wird das erreicht, wenn am Befestigungspunkt der Leine ein Warnzeichen so aufgehängt wird, dass die Leine nicht gelöst werden kann, ohne das Warnzeichen zu entfernen. Eine geeignete Maßnahme gegen unbeabsichtigtes Wiederanlegen des Stromabnehmers bei Reißen einer Leine ist zum Beispiel das Aufbringen einer Klammer, die den Stromabnehmer in abgezogener Stellung fixiert.
8.2.3 Werden Schienenfahrzeuge mit seitlichen Stromabnehmern in Fahrzeug-Instandhaltungsanlagen unter Spannung gesetzt, müssen die Stromabnehmer durch mindestens teilweisen Schutz gegen direktes Berühren gesichert sein.
Siehe auch Abschnitt 6.4.312 DIN VDE 0105-103:2014-10 "Betrieb von elektrischen Anlagen – Teil 103: Zusatzfestlegungen für Bahnen".
8.3 Arbeiten auf öffentlichen Straßen, Werksstraßen
und im Gleisbereich
8.3.1 Bei Instandsetzungsarbeiten an Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen und Werkstraßen im Gefahrbereich des fließenden Verkehrs sind zusätzlich zu den Bestimmungen dieser DGUV Regel besondere Sicherheitsmaßnahmen zu treffen.
Mindestens sind folgende Maßnahmen notwendig:
- Anerkennung der Einsatzfahrzeuge als "Pannenhilfsfahrzeug" im Sinne des § 52 Abs. 4 Nr. 2 StVZO. Nur dadurch ist gewährleistet, dass die Besatzung Leitkegel (Verkehrszeichen 610) einsetzen darf.
- Absicherung der Einsatzstellen gemäß DGUV Information 214-010 "Sicherungsmaßnahmen bei Pannen-/Unfallhilfe, Bergungs- und Abschlepparbeiten"
- Benutzen von Warnkleidung, Klasse 3 (Jacke und Hose) nach DIN EN ISO 20471:2017-03 "Hochsichtbare Warnkleidung – Prüfverfahren und Anforderungen"; siehe auch § 56 DGUV Vorschriften 70 und 71 "Fahrzeuge".
- Prüfung der Tragfähigkeit des Bodens, wenn Fahrzeuge mit technischen Hilfsmitteln angehoben werden müssen
Weitere, gegebenenfalls notwendige Sicherheitsmaßnahmen siehe Straßenverkehrs-Ordnung (StVO).
Siehe auch §§ 31 und 56 Abs. 5 und 6 der DGUV Vorschriften 70 und 71 "Fahrzeuge".
8.3.2 Arbeiten an Schienenfahrzeugen im Gleisbereich
8.3.2.1 Unternehmerinnen und Unternehmer müssen dafür sorgen, dass Instandsetzungsarbeiten an Schienenfahrzeugen im Gleisbereich nur durchgeführt werden, wenn Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden sind. Sie müssen für diese Arbeiten Warnkleidung gemäß DGUV Information 212-016 "Warnkleidung" zur Verfügung stellen.
Sicherheitsmaßnahmen sind in Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Infrastrukturbetreibenden zu treffen.
Hinsichtlich weiterer, gegebenenfalls notwendiger Sicherheitsmaßnahmen für Straßenbahnen siehe Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und Verordnung über Bau und Betrieb von Straßenbahnen (BOStrab).
8.3.2.2 Die Versicherten haben die zur Verfügung gestellte Warnkleidung zu benutzen.
Siehe auch § 56 DGUV Vorschriften 70 und 71 "Fahrzeuge".
8.3.2.3 Planbare Instandhaltungsarbeiten an Schienenfahrzeugen dürfen im Gleisbereich nur an Stellen durchgeführt werden, an denen geeignete Maßnahmen getroffen worden sind.
Die Sicherheitsmaßnahmen außerhalb von Werkstätten und Werkstattgleisen sind insbesondere abhängig von
- einer möglichen Gleissperrung, die eine Einfahrt anderer Schienenfahrzeuge in das Instandhaltungsgleis verhindert (z. B. durch mechanische Gleissperren),
- der zulässigen Geschwindigkeit in den danebenliegenden Gleisen,
- den Gleismittenabständen,
- den Gefährdungen aufgrund der in danebenliegenden Gleisen bewegten Schienenfahrzeuge,
- den Abschaltmöglichkeiten bei Fahrleitungsanlagen wie Oberleitungs- oder Stromschienenanlagen im Instandhaltungsgleis sowie in danebenliegenden Gleisen,
- sonstigen Gefährdungen aus der Arbeitsumgebung,
- der auszuführenden Tätigkeit.
Darüber hinaus sind folgende besonderen Maßnahmen zu treffen:
- Sicheres Verhindern des Anfahrens und Wegrollens der instandzuhaltenden Schienenfahrzeuge
- Sichern der instandzuhaltenden Schienenfahrzeuge gegen auffahrende Schienenfahrzeuge
- Schaffen von Verkehrswegen, Flucht- und Rettungswegen
Während der Tätigkeiten müssen die Arbeitsplätze so beschaffen sein, dass ein sicheres Arbeiten möglich ist. Dabei sind die örtlichen Randbedingungen zu berücksichtigen.
Zu erwarten sind besonders:
- Absturzgefährdung
- Elektrische Gefährdungen
- Gefährdung durch unzureichende Beleuchtung
8.3.2.4 In fahrenden Schienenfahrzeugen dürfen nur Tätigkeiten ausgeführt werden, bei denen sich die Versicherten einen sicheren Stand verschaffen können.
8.3.2.5 Bei nicht planbaren Instandhaltungsarbeiten an Schienenfahrzeugen sind, soweit möglich, dieselben Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen wie bei planbaren Arbeiten. Ist das in Ausnahmefällen nicht möglich, muss durch geeignete Ersatzmaßnahmen ein ausreichendes Sicherheitsniveau gewährleistet werden.
Nicht planbar sind nur die Arbeiten, die der Herstellung der Transportfähigkeit dienen, um Schienenfahrzeuge einer planbaren Instandhaltung zuzuführen.